Agiles BCM – der Perfect Fit
Agil ist hip, Business Continuity auch. Schade, dass man die beiden Trendthemen nur sehr selten zusammen antrifft. Es wird Zeit, das zu ändern.
Agilität und Business Continuity Management (BCM) sind zwei Begriffe, die spätestens seit Corona häufig diskutiert werden – allerdings in der Regel für sich allein. Ich frage mich, warum das Thema „agiles BCM“ kaum auf der Agenda steht, obwohl seine beiden Komponenten perfekt füreinander gemacht sind. Kaum eine Disziplin hat so viele Schnittstellen, muss so flexibel sein und so verlässlich funktionieren wie Business Continuity Management. Wir müssen immer schneller planen, mit immer mehr Stakeholdern zusammenarbeiten, wir müssen verstehen, was ein Unternehmen braucht, um stabiler zu werden. Das schreit doch geradezu nach Agilität.
Als ich bei metafinanz gelandet war, einem durch und durch agilen Unternehmen, stellte sich mir natürlich die Frage, wie und ob die vier agilen Kernwerte auf mein Thema BCM übertragbar sein können? Dabei geht es um:
- Individuen und Interaktion vor Prozessen und Werkzeugen
- Funktionsfähige Produkte vor umfassender Dokumentation
- Zusammenarbeit mit dem Kunden vor Vertragsverhandlungen
- Flexibilität vor strikter Planverfolgung
Auch für mich überraschend war, dass ich bereits des Öfteren die agilen Werte und agile Methoden in BCM-Projekten verwendet habe, ohne dass mir dies bewusst war. Business Continuity fordert geradezu Agilität, um Flexibilität, schnelle Reaktionen, Selbstorganisation und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu ermöglichen. Daher müsste man die vier Werte aus dem Manifest für agile Softwareentwicklung auch nur geringfügig umformulieren, damit sie zu Business Continuity Management passen:
- Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen (dieser Artikel)
- Funktionsfähige BCM-Lösungen vor umfassender Dokumentation
- Zusammenarbeit vor zeitraubenden Analysen
- Flexibilität vor strikter Planverfolgung
In diesem und den drei anderen Blog-Artikeln will ich mir die vier agilen Werte aus der BCM-Perspektive mal genauer anschauen.
Wert 1: Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen
„Individuen und Interaktion vor Prozessen und Werkzeugen“ – diesen Wert könnte man so zweifellos für BCM stehen lassen. Schließlich ist kaum eine Disziplin so sehr von Menschen und der interdisziplinären Zusammenarbeit abhängig wie Business Continuity. Und doch wird immer noch in vielen Organisationen nach dem allheilbringenden Tool gesucht und dieses mit viel Aufwand implementiert – immer verbunden mit der Hoffnung, dass man BCM „eingeführt“ hat und der reibungslose Geschäftsbetrieb ab sofort ein Selbstläufer ist. Haken dran!
Allerdings hängt insbesondere Business Continuity in großem Maße von der Unternehmenskultur, der Branche und den Menschen ab. Oft wissen nur Mitarbeiter:innen, die direkt im Prozess arbeiten, was wichtig ist und für welche Probleme Lösungen gesucht werden müssen. Oft wurden von ihnen auch schon pragmatische Vorgehensweisen entwickelt, die erfolgreich angewendet werden, selbst wenn sie vielleicht schlecht oder gar nicht dokumentiert sind.
Teamübergreifend Lösungen entwickeln
Die raffiniertesten Lösungen findet man oft nur, wenn teamübergreifend zusammenarbeitet wird und sich die Menschen austauschen. Das Learning: Komplexe Probleme brauchen verschiedene Blickwinkel. Deswegen heißt es, dass man unabhängig von der Tool-Lösung immer die wichtigen und richtigen Stakeholder einbeziehen muss. Ein Tool kann hier maximal unterstützen und bürokratische Aufgaben abnehmen, aber die Individuen und deren Interaktion muss an erster Stelle stehen.
Pragmatische Lösungen funktionieren meist
Zu Beginn der BCM-Einführung kommt es erstmal darauf an, die richtigen Akteure zu ermitteln. Diese sind oft nicht in der Führungsriege zu finden, sondern die Hidden Champions, die sich tatsächlich mit den alltäglichen Themen befassen.
Ein Erlebnis, an das ich mich immer wieder gerne zurückerinnere, ist, als wir im Team kontinuierlich Runde um Runde um ein unlösbares Problem gedreht und nach jedem Fehlversuch überlegt haben, wen wir noch einbinden könnten, um der Lösung einen Schritt näher zu kommen. Und dann haben wir schließlich die zwei richtigen Personen gefunden, mit der gemeinsam eine sehr pragmatische und funktionierende Lösung entwickelt werden konnte.
Das ist die Kraft der Zusammenarbeit und Interaktion sowie die Einbeziehung von Individuen, die das scheinbar Unmögliche schließlich doch möglich machen.
Um diesen Wert anzuwenden, muss mehr Zeit damit verbracht werden, miteinander zu sprechen, Ziele zu verstehen und einen gemeinsamen Weg aufzuzeigen. Erst dann werden die Prozesse erstellt und das BCM-System definiert sowie konfiguriert.
Für mich klingt diese Herangehensweise ganz natürlich, muss ich doch als Business-Continuity-Managerin die Produkte, Abteilungen und Prozesse kennen oder kennenlernen. Das heißt auch, diejenigen Menschen zu kennen, die sich tagtäglich intensiv damit beschäftigen und die Expert:innen für ihren Bereich sind. Insbesondere bei der Lösungsfindung nehme ich oft eine moderierende und vermittelnde Rolle ein, denn technisch und fachlich sind nicht die Business-Continuity-Manager im Lead, sondern die Individuen, die mittels Interaktion die angemessenste Lösung finden können.
Quelle Titelbild: AdobeStock/pixel.shot