Eine Hand platziert schwarze Spielfiguren. Neben einer umgefallenen Figur steht "Crisis"
Resilient Business

Agiles BCM – funktionieren geht über dokumentieren

Artikel

22.04.2022

Agil ist hip, Business Continuity auch. Schade, dass man die beiden Trendthemen nur sehr selten zusammen antrifft. Es wird Zeit, das zu ändern. In diesem Artikel geht es um funktionierende BCM-Pläne und übertriebene Dokumentation.

Transformation Strategy

In meinen Artikeln greife ich die Frage aus verschiedenen Perspektiven auf, warum Agilität und Business Continuity Management (BCM) unbedingt zusammengehören. Dazu habe ich kurzerhand die vier agilen Kernwerte auf mein Thema BCM übertragen:

  1. Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen
     
  2. Funktionsfähige BCM-Lösungen vor umfassender Dokumentation (dieser Artikel)
     
  3. Zusammenarbeit vor zeitraubenden Analysen
     
  4. Flexibilität vor strikter Planverfolgung
     

Agiler Wert 2: Funktionsfähiges BCM vor umfassender Dokumentation

Kaum eine Disziplin muss so verlässlich funktionieren wie das Business Continuity Management. Schließlich kommt es doch im Ernstfall darauf an, dass die Vorarbeit mitsamt der Pläne und Backup-Strategien richtig geleistet wurde. Ziel von Business-Continuity-Manager:innen sollten robuste Prozesse sein, um eine stabile Organisation herzustellen. Setzt man in seinem Unternehmen den Standard ISO 22301 für BCM um, dann gibt es eine Reihe von Anforderungen an die Dokumentation. Fast wird es zur Hauptaufgabe der Business-Continuity-Verantwortlichen, diese Dokumente zu erstellen und zu pflegen. Doch nur weil die geforderten Dokumente vorliegen, sagt das noch nichts darüber aus, ob die gefundenen Lösungen im Ernstfall auch funktionieren.

BCM-Lifecycle nach Good Practice Guidelines 2018

BCM-Lifecycle nach Good Practice Guidelines 2018 – The Business Continuity Institute (Quelle: Eigene Darstellung nach Good Practice Guidelines 2018).

BCM: Die Dokumentation kommt am Schluss

Um nicht von der Anforderung an die vorgeschriebene Dokumentation überwältigt zu werden, sollte man eingeübte Denkweisen umkehren. Da heißt es: Einmal tief durchatmen, Abstand gewinnen und sich anschauen, welche Dokumentation wirklich wichtig ist, wo das Nicht-Dokumentieren dem Unternehmen wirklich schadet und was uns wirklich einen Schritt weiterbringt. Hier empfiehlt sich: Die Themen, die im BCM-Plan umgesetzt werden, funktionsfähig zu machen und erst dann die Dokumentation zu erstellen. Diese Vorgehensweise ergibt eine solide Basis, und man sieht den Wald trotz lauter Bäume endlich wieder.

Robuste Prozesse als Normalfall

Die robustesten Prozesse sind in der Regel diejenigen, bei denen der Notfall-Workaround – also die BCM-Lösung – schon in die tägliche Arbeit integriert ist. Ein Beispiel ist das Homeoffice als Plan B: Früher war es ein großes Thema, aber nach der Pandemie sorgt ein Gebäudeausfall im Management kaum noch für schlaflose Nächte. Viele Mitarbeiter:innen sind sowieso nicht mehr jeden Tag im Büro. Diese Herangehensweise funktionierte schon immer auch für die anderen Themenbereiche, die BCM abdeckt: wirksame Failover bei IT-Ausfällen, sinnvolle Verteilung von Skills in Call Centern, Redundanz bei Lieferanten.

Das heißt aber auch, dass wir uns von der reinen BCM-Lehre verabschieden und ganzheitlich denken müssen. Planen Sie nicht nur für den Notfall, planen Sie für den Normallfall! Stellen Sie hingegen den Wunsch nach Plänen und Dokumentationen erst einmal zurück – konzentrieren Sie sich auf grundsätzlich robuste Business-Continuity-Prozesse. Erst wenn wir diese geschaffen haben, dokumentieren wir an den Stellen, an denen es noch notwendig ist.

Dokumentation ist kein Ziel

Eine weiteres Argument gegen eine überbordende Dokumentation kommt mit der Frage auf, wie sich die Effizienz von Business Continuity am besten messen lässt. Dafür wird in Reports oft abgefragt, wie viele Pläne es gibt und ob diese getestet wurden. Es gibt Unternehmen mit vielen BCM-Plänen, die im Notfall nicht verwendet werden, weil das Krisenteam im Zweifelsfall besser weiß, was zu tun ist. Das hat auch die Corona-Pandemie gezeigt: Viele Krisenstäbe haben einfach losgelegt. Sie haben intuitiv und richtig gehandelt – ohne Krisenpläne, obwohl diese vorhanden waren.

Das Herz der Business Continuity

Ich gehe mal davon aus, dass die Krisenstäbe sehr wohl wussten, wie man heikle Situationen meistert – und die vorhandene Dokumentation einfach der Vollständigkeit halber erstellt wurde. Deswegen sollte man die Wirksamkeit von BCM nicht am Umfang der Dokumentation messen, sondern anhand der Stabilität der Prozesse und Ressourcen sowie deren Zusammenspiel: Hat ein Vorfall negative Auswirkungen auf die Abläufe? Wie schnell kann ich die Prozesse wieder herstellen? Hat sich die Wiederherstellungszeit bei Incidents verbessert? Denn darauf kommt es an, das ist das Herz von BCM.

Um diesen agilen Wert auf BCM anzuwenden, sollte der Fokus auf der Funktionsfähigkeit liegen und gemessen werden, wie robust die Prozesse tatsächlich geworden sind. Hierfür helfen Vergleichswerte aus den Vorjahren besser als das Zählen von Plänen und anderen Maßnahmen. Damit wären wir nicht nur einen Schritt näher am agilen Business Continuity Management, sondern auch einen Schritt weiter in einem funktionierendem BCM – mit einem robusten Prozess und schließlich einem resilienten Unternehmen.

Quelle Titelbild: AdobeStock / Olivier Le Moal

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