Agiles BCM – Flexibilität ist Trumpf
Im Fokus der Business Continuity steht immer die Sicherheit – scheinbar ist da nur wenig Platz für Agilität. Dabei ergänzen sich beide Trendthemen ideal. In diesem Blog-Post geht es um die Frage, warum eine gewisse Flexibilität sogar eine kritische Voraussetzung für erfolgreiches Business Continuity-Management (BCM) ist.
In meinem jüngsten Artikel über BCM habe ich mich dafür stark gemacht, die konkrete Zusammenarbeit der Mitarbeitenden für Krisensituationen zu stärken und den Analysen zum Thema BCM weniger Gewicht beizumessen. Dabei orientierte ich mich wieder an den vier agilen Kernwerten, die ich kurzerhand auf mein Thema BCM übertragen habe:
- Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen
- Funktionsfähige BCM-Lösungen vor umfassender Dokumentation
- Zusammenarbeit vor zeitraubenden Analysen
- Darum geht es an dieser Stelle: Flexibilität vor strikter Planverfolgung
Agiler Wert 4: Flexibilität vor strikter Planverfolgung
Kaum eine Disziplin muss so flexibel sein und gleichzeitig so verlässlich funktionieren wie Business Continuity Management. Wir müssen immer schneller planen, mit immer mehr Stakeholdern zusammenarbeiten, und wir müssen verstehen, was ein Unternehmen benötigt, um stabiler zu werden. Unternehmen haben als Ziel, Umsatz zu erzielen, den sie mit guten Services oder Produkten erwirtschaften. Um dies liefern zu können, müssen die Prozesse und die Produktionsmaschinen stabil laufen. Welche davon die die höchste Kritikalität haben, ist oft nicht so leicht herauszufinden. Dafür benötigt es das Verständnis für das Unternehmen in den verschiedenen Ebenen. Und man braucht Flexibilität – denn die Welt dreht sich weiter, und was gestern Prio 1 hatte, ist heute vielleicht nur noch „nice to have“.
Um bei BCM einen Schritt in Richtung Agilität zu gehen, können wir den Wert „Flexibilität vor strikter Planverfolgung“ aus dem agilen Manifest heranziehen. Und in der Tat: Für unsere Belange lässt sich der Wert 1:1 übernehmen und wie folgt anwenden:
BCM basiert auf Analysen und Kennzahlen
So wie Analysen und Kennzahlen das Nonplusultra im klassischen BCM sind, wird sehr viel Wert auf Jahresplanungen (wenn nicht sogar Mehr-Jahresplanungen) gelegt, die für jedes Quartal vorgeben, was gemacht werden muss: 1. Quartal – Analyse, 2. Quartal – Strategie, 3. Quartal – Umsetzung, 4. Quartal – Übungen und Tests.
So ist eine Fachabteilung ein Jahr lang immer mal wieder mit BCM beschäftigt. Im Worst Case kann dann im 4. Quartal der Test nicht durchgeführt werden, weil sich in der Zwischenzeit das Rad weitergedreht hat und der Plan oder die Lösung überarbeitet werden müssen. Oder weil der Prozess optimiert, das Team neu strukturiert oder auch ein neues IT-Tool eingeführt wurde. Das alles muss bedacht werden und orientiert sich nicht an der BCM-Jahresplanung. Es wäre ja auch unsinnig, mit einer wichtigen Veränderung bis zum 1. Quartal des Folgejahres zu warten.
Sprinten statt Traben
Kürzere Zyklen ermöglichen schnellere Reaktionen auf Veränderungen, sei es im Unternehmen, in Prozessen oder den Lieferketten. Neue Prioritäten zu setzen, ist so überhaupt erst möglich, ohne auf die Vorstandsfreigabe im kommenden Jahr warten zu müssen. So könnte beispielsweise der komplette BCM-Zyklus für eine Abteilung innerhalb von zwei Monaten durchlaufen werden. Kurz und bündig statt lang und zäh. Dafür lassen sich Sprints einsetzen, wie wir sie aus Scrum kennen. Das gibt die notwendige Flexibilität und schafft einen präziseren Fokus, um sich auf die Unwägbarkeiten, die noch kommen mögen (und ziemlich sicher auch werden), einzustellen.
BCM-Zyklen für verschiedene Abteilungen
Angenommen, wir führen BCM in einem Unternehmen für die Abteilungen Produktion, Produktentwicklung, Unternehmenskommunikation, Finanzen und Human Resources durch. Dann würden wir für jede dieser Abteilungen einen eigenen Zyklus planen und diesen innerhalb von zwei bis vier Wochen durchlaufen, abhängig von Komplexität und Umfang (siehe Grafik). Das hat zwei Vorteile: Zum einen ist der Arbeitsaufwand für die jeweilige Abteilung überschaubarer und leichter zu bewältigen. Zum anderen sind die Teams mit kürzeren Durchläufen flexibler, um auf Veränderungen zu reagieren. Und auch die Bereitschaft ist größer, da der Zyklus, um die Veränderung einzuarbeiten, kürzer gestaltet werden kann. Man muss sich schließlich nur um die Veränderung kümmern und fängt nicht bei Adam und Eva an.
Und es gibt sogar einen dritten Vorteil: Die Business-Continuity-Pläne sind aktueller, da sie zeitnah aktualisiert und getestet werden und wir nicht bis zu einem Jahr auf einem veralteten Plan sitzen.
Um diesen agilen Wert auf BCM anzuwenden, sollten Zyklen im BCM kürzer gestaltet und der Scope kleiner geschnitten werden. Das schafft Platz für Flexibilität in der Durchführung. Vermutlich widerspricht dies den meisten BCM-Programmen, wie sie in vielen Unternehmen seit Dekaden gelebt werden. Deswegen ist Flexibilität auch die größte Herausforderung auf dem Weg zu einem agilen BCM.
Jedoch wurde Rom nicht an einem Tag gebaut, Business Continuity wird nicht ein einem Tag eingeführt, und insbesondere agiles BCM benötigt Zeit, um zu wachsen und sich zu etablieren. Die Unternehmen können agile Methoden und Herangehensweisen durchaus nach und nach einführen. Jeder Schritt weiter in Richtung agiles BCM ist ein weiterer Schritt in Richtung zu mehr Flexibilität.
Quelle Titelbild: AdobeStock/fizkes