
Strategisch transformieren, erfolgreich übergeben – wie Unternehmensnachfolge gelingen kann
Sie arbeiten und arbeiten. Immer länger. Aber das keinesfalls aus der puren Freude daran, sondern teils aus der schieren Notwendigkeit heraus. Das aktuelle Nachfolge-Monitoring der KfW zeichnet ein entsprechendes Bild: Die Senior-Generation in den Führungsetagen des Mittelstands verbleibt immer länger im Unternehmen. Das Durchschnittsalter der aktuellen Inhaber erreicht einen neuen Höchststand. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, kommt ein strategisches Transformationsmanagement ins Spiel.
Unternehmensnachfolge bleibt problematisch
Der Grund für diese Seniorität ist ein Evergreen der mittelständischen Wirtschaft: Die Unternehmensnachfolge gestaltet sich oft schwierig. Und die Chefposition neu zu besetzen ist vor allem wegen des bestehenden Engpasses bei der Unternehmensnachfolge eine Mammutaufgabe. Hauptursache für diesen Flaschenhals waren und sind die zu gering besetzten, nachrückenden Gründergenerationen – mit dramatischen Folgen für die deutsche Wirtschaft.
Das KfW-Nachfolgemonitoring zeigt daher auch: Die ältere Generation in den oberen Etagen erwägt noch nie so häufig wie zuvor, nach dem eigenen Rückzug ins Privatleben das Geschäft aufzugeben. Dabei springt das nahende Rentenalter der Führungsriege mit deutlichem Vorsprung an Nummer eins der Stilllegungsgründe. In Zahlen ausgedrückt ziehen 231.000 Unternehmen bis Ende 2025 eine Stilllegung in Betracht. Dem gegenüber stehen rund 215.000 Unternehmen mit kurzfristigen Nachfolgewünschen bis Ende 2025 – deren Inhaber sind im Mittel über 65 Jahre alt. Etwas mehr als der Hälfte dieser Unternehmen kann eine gute Erfolgsaussicht attestiert werden. Bei rund 43.000 KMU kommt das Engagement jedoch zu spät.
Nachfolge lässt sich regeln
Die gute Nachricht ist: Diesen mehr als 40.000 Betrieben kann geholfen werden. Gegen die „biologische Uhr“ sowie den demografischen Wandel durch den Rückgang der Babyboomer ist naturgemäß kein Kraut gewachsen. Durch ein strategisches Transformationsmanagement lassen sich jedoch in vielen Unternehmen eine reibungslose Übernahme der Organisation und der Erhalt der Unternehmenswerte sicherstellen.
Was das bedeutet und was konkret zu tun ist
Um die einzelnen Komponenten des notwendigen strategischen Transformationsmanagements zu verstehen, hilft ein genauerer Blick auf die Ergebnisse der KfW-Untersuchung. So rührt die Stilllegung des Betriebs vielfach aus dem Grund „Kein Interesse in der Familie (z. B. bei Kindern)“ gefolgt von „Rentenalter erreicht“. An dritter Stelle folgen jedoch mit „Geschäftssituation verhindert Verkauf“ sowie Punkten wie „Nachfolgersuche nicht erfolgreich gewesen“ und „Nachfolgersuche zu aufwändig“ Nennungen, die zeigen, dass durchaus Stellschrauben für einen strategischen Managementansatz vorhanden sind.
Im Einzelnen sind an beeinflussbaren Faktoren zu nennen:
Langfristperspektive einnehmen
Mit der Nachfolge sollten sich Chefinnen und Chefs demnach eher mit Ende 40 als mit Ende 50 beschäftigen. Diese Langfristperspektive ermöglicht es Unternehmen, zukünftige Herausforderungen und Chancen zu erkennen und darauf vorbereitet zu sein. Dies ist besonders wichtig bei der Unternehmensnachfolge. Denn hier geht es darum, einen nahtlosen Übergang zur neuen Führung sicherzustellen und das Unternehmen erfolgreich in die nächste Generation zu führen.
Geschäftssituation analysieren
Wie bereits erwähnt, ließ der KfW-Nachfolgemonitor erkennen, dass eine gründliche Analyse der Unternehmenslandschaft offensichtlich weiterhin zu kurz kommt. Die Unternehmensspitze sollte daher frühzeitig damit beginnen, aktuelle Marktbedingungen zu bewerten, die Wettbewerbssituation zu beurteilen und unternehmensinterne Stärken und Schwächen herauszuarbeiten. Diese Analyse ist entscheidend für die Entwicklung von Nachfolgeplänen und -strategien.
Nachfolgepläne konkretisieren
Bei der Nachfrage sind im Vorfeld einige Fragen zu klären: Wollen die Kinder die Unternehmensnachfolge übernehmen? Wenn ja, sind sie dafür auch qualifiziert? Die langfristige Planung erfordert, frühzeitig Nachfolgepläne zu entwickeln. Unternehmer:innen sollten potenzielle Nachfolger:innen identifizieren und ausbilden, um sicherzustellen, dass diese über die notwendigen Fähigkeiten und Business-Kenntnisse verfügen. Das gilt sowohl für Führungsfähigkeiten als auch für betriebswirtschaftliches Wissen. Und auch hier ist es entscheidend, dass die Nachfolgegeneration nicht erst kurz vor dem Renteneintritt der Chefetage an deren Seite ist. Gleiches gilt für die frühzeitige Identifikation und Auswahl externer Kräfte, falls es keine potenziellen internen Nachfolger:innen gibt.
Risiken managen
Wie sieht das Geschäft heute aus und wie könnte es morgen aussehen? Wie entwickeln sich die relevanten Märkte? Auch diese Fragen müssen beantworten werden, bevor es ernst wird. So kann die gegenwärtige Unternehmensleitung gemeinsam mit der Chefetage der Zukunft potenzielle Hürden und Herausforderungen angehen. Denn nur wer potenzielle Risiken identifiziert, kann auch geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese zu minimieren. Dies umfasst sowohl interne Risiken, wie etwa die Abhängigkeit von Schlüsselpersonen, als auch externe, wie Marktveränderungen oder regulatorische Änderungen.
Digitalisieren und Automatisieren
Goodbye Pendelordner, Faxgerät und Kopierer! Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Die Seniorität im Unternehmen muss sich einer umfassenden Digitalisierung und Automatisierung der Geschäftsprozesse gegenüber offen zeigen. Das steigert die Effizienz und sichert die Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft. Moderne Unternehmen nutzen cloudbasierte betriebswirtschaftliche Lösungen (ERP-Systeme) und sonstige Anwendungen, digitale Kommunikationsplattformen sowie innovative Automatisierungssysteme wie Robotic Process Automation (RPA) oder künstliche Intelligenz (KI) ganz selbstverständlich. Den Einsatz innovativer Technologien erst zum Zeitpunkt der Nachfolge anzustoßen, ist keinesfalls ratsam.
Cybersicherheit gewährleisten
Ein bedeutender Aspekt der Digitalisierung ist Cybersicherheit. Passwörter wie „123456“ oder „Schalke04“ sowie unverschlüsselte Excel-Kundenlisten im Netzwerkordner gilt es unbedingt zu vermeiden. Der Schutz sensibler Daten und Systeme ist unerlässlich. Durch robuste und umfassende Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls, Verschlüsselung und regelmäßige Sicherheitsaudits, können Unternehmen sicherstellen, dass sie vor Cyberangriffen geschützt sind. Dies ist besonders wichtig bei der Unternehmensnachfolge, um das Vertrauen von Kunden und Partnern zu erhalten.
Mitarbeitende fördern und qualifizieren
Visionäre Führungskräfte verbessern die Qualifikation ihrer Mitarbeitenden kontinuierlich durch Schulungen und Weiterbildungsprogramme. Sie wissen, dass nur dies hilft, technologische Neuerungen schnell zu adaptieren und die Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu erhalten. Ein professionelles Change Management – gegebenenfalls mit externer Unterstützung – sichert die erfolgreiche Umsetzung von Änderungen und hilft, Widerstände zu überwinden sowie die Akzeptanz dafür bei den Mitarbeitenden zu fördern.
Fazit
Ohne strategisches Transformationsmanagement sind die Chancen für eine gelungene Unternehmensnachfolge gering. Es gewährleistet die Geschäftskontinuität, sichert die Unternehmenswerte langfristig und erhält die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Co-Autorin: Anne Greiser (Senior Beraterin bei BECKER + PARTNER – LinkedIn)
Titelbild: iStock.com/skynesher
Tipps: So gelingt die Unternehmensnachfolge
- Digitalisierung ist aus allen Branchen nicht mehr wegzudenken. Mit den entsprechenden Werkzeugen lassen sich die Effizienz und die Effektivität im Unternehmen steigern. Das ist umso wichtiger, da der Nachfolgeprozess als solches enorm viele Ressourcen bindet.
- Moderne Datenanalyse unterstützt dabei, strategische Entscheidungen transparenter zu gestalten und diese mit Kennzahlen zu untermauern. Das schafft für die Nachfolger:innen mehr Transparenz über ihre Handlungsspielräume.
- Regulatorische Auflagen und die nach wie vor enorme Bürokratie sind sehr aufwändig, schaffen ebenfalls Hemmnisse und Intransparenz (z. B. AI Act, DORA). Auch hier können digitale Tools einiges vereinfachen und beschleunigen.
- Der Zeitpunkt der Nachfolgeregelung ist geeignet, um über die Modernisierung der IT-Infrastruktur nachzudenken (wenn nicht schon längst geschehen). Hier gilt: Lieber klein anfangen als gar nicht und sich auch gerne von Marktbegleitern der Branche geeignete Technologien abschauen.
- Klare Kommunikation: Eine transparente Kommunikation mit allen Stakeholdern des Übergabeprozesses sowie eine entsprechende Dokumentation sind Pflicht und keinesfalls Kür.
- Ebenfalls unabdingbar sind Strategien zur Wissenssicherung und zum Kompetenztransfer. Der Aufbau eines Mentoring- und Coaching-Programms hat sich hier bewährt.
- Verantwortungsvolle Nachfolge beinhaltet auch eine Mitarbeiterbeteiligung und die Integration des Teams in die Transformationsprozesse, um Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen.
- Keine interne Nachfolge ohne frühzeitige Identifikation, gezielte Förderung und schrittweise Integration in Führungsaufgaben.
- Markenkommunikation und Image: Auch gegenüber Kunden und Partnern sollte die Nachfolge frühzeitig und offen kommuniziert werden. So lässt sich das Vertrauen in die Marke langfristig sichern.