Das Bild zeigt eine Nahaufnahme von ausgetrocknetem, rissigem Boden. Die Oberfläche ist von zahlreichen unregelmäßigen Rissen durchzogen, die ein mosaikartiges Muster bilden. Die Erde ist hell und wirkt trocken und spröde. Die Risse sind dunkel und heben sich deutlich von der helleren Oberfläche ab. Diese Szene vermittelt den Eindruck von Trockenheit und Dürre.
Transformation Strategy

Agile Transformation I: Komplex geht nicht einfach

Artikel

01.06.2023

Es ist erstaunlich, dass ich immer wieder auf agile Transformationen stoße, die klassisch nach dem Wasserfallmodell durchgeführt werden, obwohl eigentlich bekannt sein müsste, dass derartige Projekte nur sehr selten erfolgreich verlaufen. Aber wenn wir bereits wissen, dass komplexe Wasserfallprojekte oftmals zum Scheitern verurteilt sind, warum werden komplexe agile Transformationen dann immer noch auf diese Weise umgesetzt?

Future Organization

Transformationsteams werden gegründet, Arbeitsgruppen sowie Workstreams installiert und ein Framework entworfen oder ausgewählt, während in Führungsgremien kontinuierlich Vor- und Nachteile diskutiert werden – dieses Vorgehen ist eine häufig beobachtete Praxis. Nach sechs Monaten Design ist klar, wie das Modell aussehen soll. Dann wird auf den Knopf gedrückt, und die agile Transformation ist eingeleitet. Wird die Organisation mit den Ergebnissen konfrontiert, kommt es jedoch häufig zu Frustration unter den Mitarbeitenden.

Kein Einzelfall: Ich habe selbst erlebt, dass eine neue Struktur ganz ohne Einbeziehung der Mitarbeitenden getroffen wurde, die sich selbst an anderer Stelle oder in einer anderen Rolle gesehen hätten. Wiederholt wurden auch Frameworks eingeführt, dabei blieben die Gründe für die Einführung genau dieses Frameworks intransparent. Gleichzeitig wurde aber die Erwartung gesteigert, dass von jetzt auf gleich alles besser funktioniert – ohne Transition vom IST- auf den SOLL-Zustand und häufig mit wenig Training sowie zusätzlicher Begleitung.

Die wahren Ziele der Transformation


Das Problem liegt in der eigentlichen Zielsetzung, der Hidden Agenda: Transformation sagen, Reorganisation meinen.

Statt sich auf die echte Verbesserung der Arbeitsabläufe zu konzentrieren, wird oft mehr Wert auf das äußere Erscheinungsbild gelegt. Dafür werden dann neue Rollen geschaffen. Derweil läuft hinter den Kulissen alles wie gewohnt weiter, schließlich muss die alte Organisation überleben und ihre Ressourcen schonen. Zusammengefasst: Auf eine endlos lange Design-Phase folgen nur wenige Umsetzungsschritte, vielleicht auch nur einige wenige Trainingsmodule. Zu allem Überfluss tauchen auch noch unvorhergesehene Probleme auf, und die Organisation, die bereits vorher schwerfällig war, wird durch den übermäßigen Einsatz von Workarounds noch langsamer.

Scrum in der IT-Kapsel einführen

Ein typisches Beispiel hierfür ist die Einführung von Scrum, aber beschränkt auf die IT-Organisation. Die eigentlich für die Kommunikation mit den Stakeholdern bestimmten Review-Termine werden nur teamintern abgehalten. Für die Stakeholder gibt es weiterhin extra Termine mit aufpolierten PowerPoint-Folien, die nicht den wirklichen Fortschritt zeigen und ein kontinuierliches Lernen, eine positive Entwicklung ermöglichen. Es entstehen zeitliche Mehraufwände, jedoch ohne zusätzlichen Nutzen.

Die Vermarktung der Agilität

Eine derartige Entwicklung ist bedauerlich. Statt jedoch das Problem gezielt zu beheben, werden nun auch wieder alte Methoden eingesetzt. Man versucht an jeder Stelle zu reparieren, um das agile Transformationsprojekt auf Biegen und Brechen durchzuziehen. Meistens ist es ein „koste es, was es wolle“. So kommen wir letztendlich beim sogenannten „Agile Washing“ an, das dem „Green Washing“ in der Nachhaltigkeit ähnelt.

Dabei wird das Erscheinungsbild von Agilität gepflegt, ohne dass tatsächliche Umstellungen und Verbesserungen erzielt werden. Es wird also mehr Wert auf die Vermarktung von Agilität gelegt als auf ihre sinnvolle Umsetzung in der Organisation.

Wie kann man eine solche Situation erkennen?

  • Auf einmal wird irgendwie alles mit dem Begriff „agil“ verunstaltet. Mein liebster Satz ist hierbei: „Das machen wir jetzt mal ganz agil.“
  • Es herrscht Intransparenz über die Ziele und das Vorgehen der Transformation. Eine offizielle Kommunikation ist selten, dafür gibt es umso mehr Flurfunk.
  • Es wird viel über verschiedene agile Frameworks diskutiert, aber bisher wurde keines davon wirklich angewendet.
  • Es gibt gleichzeitig Veränderungen in der Ablauf- (Produktlieferung) als auch der Aufbauorganisation (disziplinarische Führung). Ziel ist, die Transformation als Big Bang umzusetzen und nicht in Inkrementen.
  • Führungsaufgaben für die neue Organisationsform werden vergeben, bevor auch nur ein Team in die Transformation eingebunden wurde.

Auf die Motivation und Performance in den Teams hat das fatale Auswirkungen.

  • Die Kommunikation im Team ist geprägt von Frustration und Kritik an der Transformation.
  • Die Arbeitsleistung des Teams geht deutlich zurück.
  • Einige Teammitglieder signalisieren in ihren LinkedIn- und XING-Profilen, dass sie sich nach neuen beruflichen Möglichkeiten umsehen.

Herausforderungen der agilen Transformation

Für eine erfolgreiche agile Transformation gibt es keine einfachen Lösungen. Transformationen sind komplex und benötigen daher einen Ansatz, der mit komplexen Herausforderungen umgehen kann. Zudem muss die Methode zur Bewältigung der Herausforderung auf die spezifischen Bedürfnisse und die Kultur der Organisation abgestimmt sein, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Eine hochinnovative Firma verträgt mehr Change als ein stabiler Tanker. Es ist demnach entscheidend, passgenaue Wege zu finden, um wirklich bessere Ergebnisse zu erzielen. Andernfalls läuft die Organisation Gefahr, sich selbst zu täuschen, wenn sie einfach das nächstbeste agile Framework wählt.

Probleme mit agilen Frameworks

Viele dieser Frameworks versprechen Einfachheit, was oft zu Problemen führen kann. Das Spotify-Modell als bekanntes Beispiel hat viele Anhänger gefunden, da es auf den ersten Blick einfach erscheint. Doch bei der Implementierung können viele Schwierigkeiten im Detail auftreten, die von einigen Beratern oft verschwiegen werden. Wie an verschiedenen Stellen im Internet diskutiert und beschrieben, hat auch Spotify das Modell nicht mehr so umgesetzt, wie es ursprünglich beschrieben wurde, sondern es kontinuierlich weiterentwickelt und für sich passgenau adaptiert.

Was können wir also tun, um eine agile Transformation erfolgreich zu starten und umzusetzen?

  • Das Management muss uns über die ganze Strecke aktiv und nachdrücklich unterstützen.
  • Wir müssen bereit sein, alles zu hinterfragen und gegebenenfalls auch umzugestalten oder zu pivotieren, um unser eigentliches Business-Ziel der Transformation im Auge zu behalten.
  • Hindernisse sollten nach Priorität angegangen werden, um die geplanten Ziele zu erreichen.
  • Wir müssen alle akzeptieren, dass der Weg zum Ziel anders aussehen kann als ursprünglich gedacht.
  • Erfolge und Learnings, aber auch Misserfolge auf dem Weg sollten gefeiert werden.
  • Schließlich sollten wir uns immer daran erinnern, dass eine solche Transformation niemals abgeschlossen ist und wir uns daher immer in einem Beta-Status befinden – wie es auch unsere Maxime in der metafinanz besagt: „Always in beta.“

Ich bin mir sicher, dass jede Organisation gute Gründe hat, sich auf eine agile Transformation einzulassen. Vielleicht will sie zur Spitze des Marktes gehören, schneller innovieren oder einfach nur ihre Produkte schneller auf den Markt bringen. Und falls jetzt jemand denkt: „Oh nein, hier kommt wieder jemand, der Spotify basht!“ – keine Sorge, ich sehe durchaus auch die Stärken von Modellen und Frameworks, aber eben auch deren Schwächen bei einer Implementierung, die mit der Zeit nicht entsprechend zugeschnitten wird. Letztendlich geht es darum, das Passende für jedes Unternehmen und dessen Kultur zu finden. In diesem Sinne: gute Transformation!

Quelle Titelbild: AdobeStock/tfk

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