
Neurodiversität in Unternehmen – Vielfalt im Denken als Fundament für Zukunftsfähigkeit
Neurodiversität schafft neue Chancen in Unternehmen – vorausgesetzt, Offenheit und gezielte Förderung sind Alltag. HR kann hier echte Mehrwerte schaffen, indem sie Teams und Mitarbeitende individuell stärkt.
Die Neurodivergenz beziehungsweise Neurodiversität der Menschen ist kein Phänomen, das sich erst in den vergangenen 20 Jahren entwickelt hat. Allerdings nimmt die Sensibilisierung kontinuierlich zu – und damit die mediale Aufmerksamkeit. So berichtete der SPIEGEL Anfang des Jahres von einem „Hype um Hyperaktivität“, während die NZZ die „Modediagnose ADHS“ proklamierte und von einem „Identitätsmerkmal“ sprach. Wie derartige Aussagen auf Betroffene und ihre Familien wirken, kann man sich auch ohne Psychologie-Studium vorstellen.
Heute liegt es an Unternehmen, neurodiverse Potenziale zu erkennen und individuell zu fördern. Gerade HR kann mit Mut zum Perspektivwechsel einen Kulturwandel anstoßen und so den Weg für eine zukunftsfähige, inklusive Arbeitsumgebung ebnen.
Was ist Neurodivergenz?
Menschen denken, empfinden und verarbeiten Informationen auf unterschiedliche Art und Weise. Neurologische Phänomene, die von der vermeintlichen Norm abweichen, umfassen etwa Hochbegabung, Hypersensitivität, Dyskalkulie („Rechenschwäche“), Dyslexie („Leseschwäche“), ADHS und Autismus. Dabei gibt es in allen Bereichen vielfältige Abstufungen und Ausprägungen – so spricht man beispielsweise von einer „Störung im Autismus-Spektrum“ (ASS). Bei vielen Neurodivergenten sind die Ausprägungen für Außenstehende kaum bemerkbar, sie werden vielleicht als „nerdig“, unnahbar oder besonders analytisch wahrgenommen.
Von der Kreativität zum Hyperfokus
Viele Prominente oder bekannte Persönlichkeiten bekennen sich mittlerweile öffentlich zu ihrer Neurodivergenz wie Sängerin Billie Eilish (Tourette-Syndrom), Schauspielerin Emma Watson (ADHS) oder Unternehmer Elon Musk (Asperger). Bei anderen gibt es Spekulationen, etwa Steve Jobs, Bill Gates, Alan Turing oder Pokémon-Schöpfer Satoshi Tajiri. Berichten zufolge sind zwischen fünf und 20 Prozent der Menschen neurodivergent – und damit auch viele Beschäftigte in Unternehmen. Bekannte Konzerne leisten seit Jahren Pionierarbeit, etwa die SAP mit dem 2013 gestarteten Programm „Autism at Work“. Denn einige neurodivergente Menschen punkten mit einer besseren Konzentrationsfähigkeit, mehr Detailtreue, großer Kreativität, dem Hyperfokus oder einem besonderen Verständnis für Muster und Zahlen.
Neurodiversität bei metafinanz
Bei metafinanz haben wir verschiedene selbstorganisierte Communities, in denen sich Mitarbeitende engagieren. Eine davon dreht sich um die Themen Diversität und Inklusion, sie umfasst auch den Bereich der Neurodiversität. Zum einen bietet die Community einen sicheren Raum für Austausch, zum anderen geht es darum, intern Awareness für Neurodivergenz zu schaffen und Berührungsängste abzubauen. So hat zum Beispiel eine Kollegin mit ADHS im Intranet eine Artikelserie veröffentlicht, in der sie ihre Erfahrungen im beruflichen Alltag teilt. Oder wir haben inhouse eine Podiumsdiskussion mit mehreren Gästen und Expert:innen organisiert, um das Thema besprechbar zu machen. Wenn sich jemand in einem vertrauensvollen Rahmen austauschen möchte, ist dies jederzeit möglich – der Safe Space ist geöffnet. Und als Psychologin sowie Mental Health Coach ist mir persönlich eine fachliche Unterstützung auch sehr wichtig.
Neurodiversität braucht Zeit und Vertrauen
Unsere Ambition ist es, neurodivergente Kolleg:innen zu unterstützen und gleichzeitig auch das Potenzial neurodiverser Teams zu erkennen und auszuschöpfen. Aus meiner Sicht zahlt das direkt auf die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens ein. Allerdings wächst auch hier das Gras nicht schneller, wenn man daran zieht: Die meisten Menschen sind eher vorsichtig und es braucht Zeit, bis sich Vertrauen und die notwendige psychologische Sicherheit einstellen. „Neurodiversität in Unternehmen“ ist kein Projekt, das in einem definierten Zeitrahmen mit Meilensteinen umgesetzt und mit Kennzahlen kontrolliert wird.
Flexible Organisationen sind im Vorteil
Jedoch tun sich Organisationen deutlich leichter, wenn sie nicht starr, sondern beweglich angelegt sind. Bei metafinanz leben wir flexible Arbeitsmodelle, die Selbstorganisation, Homeoffice und Remote Work, moderne Bürokonzepte sowie eine anpassungsfähige Zeiteinteilung bieten. Hinzu kommen individuelle Karrierewege und Entwicklungsmöglichkeiten. Paten- und Mentorenprogramme unterstützen im beruflichen Alltag.
Hemmschwellen gezielt abbauen
Der nächste Schritt ist, die Hemmschwelle in den Teams anzusprechen und abzubauen. Noch gibt es viele Unsicherheiten, wie man mit neurodivergenten Kolleg:innen umgeht. Beide Seiten müssen daher für ein achtsames, kooperatives Miteinander sensibilisiert werden. Die gute Nachricht: Über weniger sozialen Stress oder Ablenkungen und mehr gegenseitiges Verständnis freuen sich alle im Unternehmen. Und jeder kann erleben, dass neuro-übergreifende Zusammenarbeit nicht nur funktioniert, sondern bereichert und am Ende auch einen echten Wettbewerbsvorteil mit sich bringt.
Im Artikel „Wie neurodiverse Teams die Cybersecurity stärken“ zeigt unser Kollege Jonathan Reynolds, welches Potenzial Neurodiversität im Bereich Cybersecurity hat.
Wenn Sie Fragen zur Neurodiversität im HR-Umfeld haben, schreiben Sie mich gerne an – die Kontaktdaten finden Sie in meinem Autorenprofil.