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Implizites Wissen mit Low-Code explizit erfassen

Artikel

26.10.2023

Low-Code-Entwicklung eignet sich nur für kleine Apps im Bereich der persönlichen Produktivität? Ein Vorurteil, das wir nicht bestätigen können. Unsere Kunden nutzen Low-Code-Applikationen, um geschäftskritische Prozesse abzubilden. Beispiele dafür sind Checklisten für Finanzabschlüsse, Board-Beschlüsse oder Produktentwicklungen.

Resilient Business

Vorsicht, Stolperfalle! Wenn es sich um juristisch relevante, oft sogar staatlichen Regulatorien unterworfene Daten wie beispielsweise in der Pharmaindustrie, in Banken oder Versicherungen handelt, ist Sorgfalt geboten. Jede Erfassung und Änderung – vom Antrag über die Diskussion bis zur Absegnung – muss genau dokumentiert werden. Ein nachlässiger Umgang mit diesen Informationen wäre grob fahrlässig und könnte für das Unternehmen gravierende Folgen haben – sowohl für die Reputation als auch für die Bilanz. 

Bis vor wenigen Jahren war dieses Problem zumindest in kleineren Unternehmen weitgehend hypothetisch: Die meisten Fachleute saßen in benachbarten Büros, und die Kommunikationswege waren kurz, weshalb es wenig Raum für Interpretationen und Missverständnisse gab. Heute nutzen die Mitarbeitenden häufig die Möglichkeit zum Homeoffice, oder sie arbeiten von unterwegs. Zudem sind auch kleinere und mittelständische Betriebe oft über verschiedene Standorte oder sogar Kontinente verteilt. 

Das daraus entstehende Risiko haben viele Unternehmen nicht auf dem Radar. Geschweige denn, dass sie ein Budget dafür einplanen! Eine eigene Anwendung für diesen Zweck zu entwickeln, kommt den meisten deshalb wohl kaum in den Sinn. Auch die Customization der Standardapplikation erscheint zu teuer und dauert zu lang.

E-Mails haben ihre Tücken

In der Geschäftswelt wird zur Abwicklung von Geschäftsvorgängen immer noch häufig die E-Mailkommunikation genutzt. Das kann funktionieren, wenn alle Beteiligten den Prozess beherrschen und sehr sorgfältig arbeiten. Doch streng genommen sind E-Mails keineswegs transaktionssicher. E-Mails können leicht übersehen werden, im falschen Ordner landen oder verloren gehen. Außerdem führt „E-Mail-Ping-Pong“ – aufgrund der unterschiedlichen Reaktionszeiten – dazu, dass sich der Prozess schwer nachvollziehen lässt.

Fazit: E-Mailverkehr ist nicht der richtige Weg, um sensible Informationen zu übertragen, geschweige denn, um unternehmenskritische Prozesse abzubilden. Neben einem Rollen- und Berechtigungskonzept fehlt der E-Mailkommunikation ein abgesicherter Workflow. Woher sollen die Beteiligten wissen, ob sie alle Informationen bekommen haben, die sie in ihrer Funktion benötigen? Oder ob sie ihrerseits alle Informationen an die richtigen Personen weitergegeben haben? Wenn für diesen Ablauf wichtige Dateien fehlen, lässt sich das nicht einfach mit einem Schulterzucken abtun. Es schmälert die Qualität des Reports und ist damit potenziell geschäftsschädigend.

Make or buy? Do it yourself!

Da drängt sich die Frage auf: Sollten Unternehmen doch lieber eine zusätzliche Software kaufen und mit hohem Aufwand an die Kernsysteme adaptieren? Oder lieber gleich etwas Eigenes entwickeln? Wie unsere Erfahrung zeigt, lassen sich die erforderlichen Prozesse ohne großen Entwicklungsaufwand Tool-gestützt abbilden. Dazu muss keine neue Software angeschafft werden, denn eine eigene App zu entwickeln, ist heute längst nicht mehr so aufwändig wie früher.

Moderne Low-Code-Plattformen, zum Beispiel „Power Apps“ von Microsoft, machen es möglich, dass IT- und Fachexpert:innen im Team schnell Lösungen entwickeln. Eine solche Low-Code-Lösung erlaubt es den Fachleuten, visuell nachzuvollziehen, wie der Prozess IT-technisch umgesetzt ist. Sie können ad-hoc bewerten, ob und wo bereits Mehrwert geschaffen wurde, beziehungsweise wo weitere Anpassungen nötig sind. Aus Sicht der Fachbereiche ergibt das einen potenziellen Katalysator für die Definition und anschließende Digitalisierung der eigenen Prozesse. Das Beste daran: Es sind keine monatelangen Projekte notwendig, sondern der Wert entsteht rasch und lässt sich durch iterative Verbesserungen ständig steigern.

Mit einer Low-Code-App für geschäftskritische Anwendungen wächst der Komfort für die User beinahe sofort, gleichzeitig sinkt die Fehleranfälligkeit. Die App begleitet den gesamten Prozess, indem sie alle notwendigen Aktivitäten abdeckt und auf Mausklick zur Verfügung stellt. Zudem können die jeweiligen Ansprechpersonen für alle Prozessschritte hinterlegt sein.

Eine zentrale Stelle informiert alle Beteiligten über den aktuellen Status, also beispielsweise darüber, an welchem Gateway eine Freigabe gerade steht. Folglich lässt sich die App auch als Controlling-Tool nutzen: Sie zeigt an, wann und wo bestimmte Maßnahmen erforderlich sind. Das erspart dem User viel Abstimmungsaufwand in der virtuellen Welt, führt zu spürbar höherer Produktivität und schafft weitgehende Prozesssicherheit. 

Leicht lassen sich in eine solche Anwendung weitere Funktionen integrieren, die den Anwender:innen das Leben erleichtern. Dazu zählen die automatische Weiterleitung der Vorgänge an das nächste Gateway, ein Erinnerungs-Flow, der per Mausklick erstellbar ist und die Prozessbeteiligten zu notwendigen Aktionen aufruft, oder die visuelle Anzeige der jeweils ergriffenen Maßnahmen.

Low-Code-Werkzeuge müssen nicht für sich allein stehen, sondern sorgen vielmehr selbst dafür, dass die Anwendungen leicht mit anderen Unternehmensapplikationen, beispielsweise dem SAP-System, verbunden werden können. Zu diesem Zweck enthalten sie in aller Regel mehrere Hundert oder sogar über 1.000 Konnektoren (so beispielsweise bei Power Apps). 

Keine Angst vor Schatten-IT

Einige IT-Entscheider werden jetzt einwenden, dass Low-Code-Anwendungen ein anarchisches Element in die IT bringen. Die „Schatten-IT“ hat vielen IT-Verantwortlichen in den letzten Jahren immer wieder Probleme bereitet: Sie entzieht sich meist der IT-Governance, so dass im Problemfall niemand weiß, was eigentlich alles installiert ist und wie es mit welchen anderen IT-Komponenten zusammenhängt.

Tatsächlich handelt es sich um IT-Komponenten, die nicht maßgeblich im IT-Bereich erstellt werden, sondern größtenteils von den Fachabteilungen selbst. Aber das muss nicht heißen, dass sie unkontrolliert entstehen oder sich nachteilig auswirken. Vielmehr ist es sogar ein großer Vorteil, dass bei Power Apps der Product Owner ein Fachbereich ist. Denn das heißt: Die Applikation wird nicht am Fachbereich vorbei, sondern mit und von ihm entwickelt. Und genau das ist das Erfolgsrezept für die IT der Zukunft. 

Davon abgesehen, sollten Low-Code-Anwendungen mit der IT abgestimmt, in die Governance-Struktur einbezogen und eventuell durch ein Center of Excellence betreut werden. Wie das geschehen kann, beschreiben wir in den Artikeln Jeder kann coden und Governance für No-Code: Wie sich Umgebungen mit Power Apps & Co. im Zaum halten lassen.

 

Quelle Titelbild: miniseries/iStock