Agile Transformation III: Reorganisation statt agile Transformation
Ist Transformation bloß ein moderner Begriff für Reorganisation – aber meint eigentlich das Gleiche? Lässt man das Wort „agil“ weg, ist da vielleicht etwas Wahres dran. Mit dem Adjektiv agil ändert sich jedoch der Blickwinkel massiv. Dann geht es nicht mehr um ein Projekt, sondern um eine nachhaltige Veränderung der Organisations-DNA hin zu einem anpassungsfähigeren Unternehmen.
In der agilen Transformation sollte ein Ziel sein, dass die Organisation sich schnell an neue Herausforderungen anpassen kann. Das wird jedoch nur schwer gelingen, wenn lediglich eine Reorganisation – also von einer starren Struktur in eine andere ähnlich starre Struktur – erfolgt. In einem solchen Fall ist man zwar für den Moment besser gewappnet, also für Challenges, die bereits am Horizont sichtbar sind. Aber was ist mit den Themen, die noch nicht bekannt sind? Und denen, die man nicht mal zu denken bereit ist? Also den „unknown unknowns“.
Wie können sich Organisationen darauf vorbereiten, mit Ereignissen umzugehen, von denen sie noch nicht mal wissen, dass sie sie nicht kennen? Es gilt also, die Transformation so zu gestalten, dass das "nicht Wissen" ebenfalls abgedeckt wird. Damit eine Organisation auf alle Eventualitäten agil reagieren kann, ohne von einem großen Change in den nächsten zu rennen. Da wäre es doch toll, die Organisation so zu gestalten, dass Change ein elementarer Bestandteil ihrer Organisations-DNA ist – Evolution statt Revolution.
Reagieren auf Veränderungen
Was ist daran besonders? Agile Teams sind darauf ausgelegt, dass sie inkrementell liefern und kontinuierlich Change in die Entwicklung ihrer Produkte einfließen lassen können. Ändert sich also das Marktumfeld mit Anforderungen oder Nachfrage, kann das Team darauf reagieren. Dies gilt jedoch nur bis zu einem gewissen Grad: Denn plötzlich werden neue Skills benötigt, oder die Zusammenarbeit mit einer bisher fremden Einheit ist gefragt. Zudem könnte das Team zu groß werden, weil neue Aufgaben hinzukommen, ohne dass im gleichen Zug bestehende Verantwortlichkeiten abgegeben werden (können).
Bei diesen Ereignissen reduzieren sich Effizienz und Effektivität, es bedarf einer Veränderung der Organisation. In starren Modellen ist der Widerstand gegen diesen Wandel sehr stark, die Blockade kann nur mit hoher Energie und zeitlichem sowie finanziellem Aufwand überwunden werden. Gleichzeitig verliert man gegenüber dem Markt an Innovationskraft und -geschwindigkeit. Gerhard Wohland hat den Begriff „dynamikrobust“ geprägt. Das ist genau die Fähigkeit, die man erreichen möchte: Robust gegenüber den Dynamiken des Marktes zu sein, ohne die eigene Organisation dabei in Gefahr zu bringen. Oder in anderen Worten: nachhaltig zukunftsfähig.
Starre Strukturelemente abbauen
Wie bekomme ich also die Change-DNA in mein Organisationsdesign und mache sie dynamikrobust? Ein guter Ansatz ist, Elemente, die zu starren Strukturen führen, abzubauen. Jede Organisation hat bekanntlich den inneren Antrieb, sich selbst zu erhalten – und das macht sie mit strukturellen Mitteln wie Abteilungen, Unterabteilungen, Führungsebenen, Führungskräften und Budgets. Doch was davon ist notwendig, und was kann man weglassen oder anders gestalten, sodass sich diese Strukturen nicht verfestigen?
Welche Anreizsysteme gibt es, die alle Mitarbeitende der Organisation dafür belohnen, den Wandel zu gestalten, also sich selbst zu bewegen?
Netzwerkstruktur in der Network-Ära
Als metafinanz sind wir beispielsweise den Weg der Shops und der Business Areas gegangen – eine Netzwerkstruktur, die kontinuierlich im Wandel ist.
Shops (interne Serviceabteilungen) wurden geöffnet, wenn der Bedarf erkannt oder vermutet wurde, und wieder geschlossen oder angepasst, wenn ihre Serviceleistungen von der Organisation nicht mehr angemessen nachgefragt wurden.
Business Areas (Service Delivery an den Kunden) unterliegen ebenso einem Wandel. Jeder im Unternehmen kann die Gründung einer neuen Business Area initiieren oder zwischen Areas wechseln, wenn der entsprechende Bedarf oder der eigene Wunsch nach Veränderung besteht. Areas können sich zudem teilen, fusionieren oder ihre Ausrichtung verändern. Es gibt keine Führungskräfte innerhalb der Areas, die starre Strukturen oder Machtbündelungen fördern.
Wie gestalte ich also meine Transformation, damit es keine Reorganisation wird, sondern eine echte Änderung der Unternehmens-DNA?
- Ich gestalte die Strukturen kleinteilig und mit flachen Hierarchien, so dass sie jederzeit mit wenigen Schmerzen geändert werden können.
- Ich fördere und belohne die Durchlässigkeit innerhalb der Organisation und sichere damit meine Flexibilität.
- Ich kommuniziere, dass die Organisationsform ab jetzt kontinuierlichem Wandel unterliegt.
- Ich gebe den Mitarbeitenden Sicherheit, dass sie weiterhin gebraucht werden.
- Ich beginne mit der ersten Anpassung sofort.
Allerdings gibt es auch viele andere Wege. Jurgen Appelo beispielsweise bietet mit seinem Baukasten UnFix tolle Ansätze, die helfen können, eine flexible Organisationsstruktur zu etablieren, die sich ganz am aktuellen Bedarf orientiert. Lohnenswert ist auch ein Blick in die Bücher von Nils Pfläging, hier insbesondere „Organisation für Komplexität“. Ein anderes interessantes Buch über „Denkwerkzeuge für Höchstleister“ hat Gerhard Wohland mit weiteren Autoren verfasst. An den Beispielen zeigt sich: Die agile Transformation ist weitaus mehr als eine Reorganisation, sie ist ein nachhaltiges Veränderungskonzept. Und es gibt verschiedene Methoden, wenn man es richtig machen will. Lassen Sie sich inspirieren!
Quelle Titelbild: AdobeStock/lexiconimages