Warum wir Change Management anders denken müssen
In letzter Zeit mache ich mir viele Gedanken darüber, wie Veränderungen erfolgreich umgesetzt werden – und ich komme immer wieder zu dem Schluss, dass Ansätze und Methoden, wie wir Change Management in Projekten aufsetzen, nicht wirklich den Nutzen und Erfolg bringen, den wir uns von ihnen erwünschen. Vor allem die Führung werden wir neu denken müssen.
Für Change Management gibt es viele tolle methodische Ansätze: Kotter, ADKAR, Lewin, McKinsey – you name it. Das alles sind veritable Rezepturen, um Change Management erfolgreich zu gestalten. Inzwischen glaube ich aber, dass all diese Ansätze das Problem, notwendige Veränderungen auszuarbeiten und zu implementieren, vom falschen Ende her betrachten.
Die genannten Ansätze wurden genau dazu entwickelt, Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Ich möchte nicht von „Scheitern“ sprechen, aber ist es nicht so, dass die überwiegende Mehrzahl der Veränderungen nicht so verlaufen, wie sich das die Initiatoren vorgestellt haben? Und die Gründe dafür, dass Veränderungen nicht so verlaufen, wie sie geplant sind, sind doch immer die gleichen, darunter:
- Widerstand gegen (Kultur-)Veränderung;
- mangelnde Kommunikation;
- fehlende Unterstützung des Managements;
- unklare Ziele.
Mal Hand aufs Herz: Wann ist das letzte Change-Vorhaben, die letzte Transformation, genau so verlaufen, wie Sie es sich beim Aufsetzen vorgestellt haben? Wie oft wurde der Widerstand gegen die Veränderung größer wahrgenommen als ursprünglich angenommen, wie oft haben Sie gedacht, dass nicht genug kommuniziert wurde?
Hierarchien blockieren den Change
Ich glaube, die Ursachen für holprige oder scheiternde Veränderungsmaßnahmen liegen tiefer, als dass die Lösung für „gute“ Umsetzungen in der mustergültigen Anwendung von standardisierten Ansätzen zu finden wäre. Die Probleme rühren daher, dass diese Ansätze den Anforderungen unserer Zeit nicht mehr genügen und wir Change anders denken müssen. Aus meiner Sicht sind Hierarchie und Statusgefälle dafür verantwortlich, dass Veränderungen anders verlaufen, als man denkt. Und ich möchte sogar so weit gehen, zu behaupten, dass Veränderungen nicht top down verordnet werden können – höchstens ermöglicht. Warum?
Der Mensch denkt, die Führung lenkt
Meistens ist es doch so, dass im Unternehmen ein Veränderungsbedarf von einer Führungsmannschaft festgestellt wird. Eine kleine Gruppe von Menschen identifiziert ein Problem, und von einer ebenfalls kleinen Gruppe von Menschen werden ein Zielzustand und der dahin führende Lösungsweg spezifiziert. Anschließend wird die Veränderung von einem Projektteam mit einer passenden Change-Management-Methodik in das Unternehmen getragen, verbunden mit dem Ziel, die Mitarbeitenden möglichst reibungsfrei auf die Reise zum Zielzustand mitzunehmen und sie bei der Umsetzung einzubinden.
So weit, so schlecht: Dieses Setup beschreibt das nach meiner Erfahrung am weitesten verbreitete Muster, wie Veränderungsmaßnahmen organisiert werden. Meine Beobachtung ist jedoch, dass die Veränderung dann im Ergebnis nicht so erfolgt, wie sie geplant war, dass das Ziel gerissen wird oder angepasst werden muss und wir streng genommen von einem Scheitern reden müssten.
Die Resthierarchie treibt den Change
Ich sag’s mal so: Die Zeiten sind vorbei, in denen einige wenige entscheiden sollten, was für das Unternehmen und damit für die vielen anderen gut ist. In unserem Zeitalter der agilen Transformationen postulieren wir ständig das Menschenbild der Theory Y nach Douglas McGregor, wagen aber nicht, es auch in letzter Konsequenz anzuwenden. Wir behalten uns immer eine Art „Resthierarchie“ vor, die für sich in Anspruch nimmt, Probleme am besten analysieren oder die passendsten Lösungen designen zu können. Mitarbeitende werden zwar agil eingebunden und erhalten mehr Verantwortung in der Durchführung und Umsetzung, die Wurzel der Veränderung bleibt jedoch dem vorbehalten, was wir als klassisches Management kennengelernt haben.
Nach meinen Beobachtungen und Projekterfahrungen in den letzten 30 Jahren funktioniert das aber nicht - zumindest nicht zwangsläufig. Ich bin überzeugt, dass erfolgreiches Change Management ein anderes Grundverständnis braucht, das der Maxime folgt: „Die Summe aller Menschen im Unternehmen weiß am besten, was für das Unternehmen gut ist.“
Das Team ist der Star
Es mag jetzt negativ klingen, aber es ist halt so: Ich habe sowohl in Wasserfallprojekten als auch in agil organisierten Veränderungsvorhaben Stunden um Stunden in Meetings verbracht, in denen eine Führungskraft monologisierend versucht hat, den anderen Teilnehmenden die Welt zu erklären und gar nicht mitbekommen hat, dass die schon lange abgeschaltet haben. Eine solche Führungskraft erfüllt am Ende den gleichen Zweck wie ein Fußballexperte bei einem Fußballspiel: Vor der Veränderung (wahlweise dem Spiel) kann er genau vorhersagen, wie es laufen wird – und danach kann er ihnen präzise erklären, warum es nicht so gekommen ist.
Die Wahrheit ist aber immer auf dem Platz, und deshalb gilt es, den Ball flach zu halten und im Team zu spielen – auch bei Veränderungen.
Quelle Titelbild: AdobeStock/Smile Studio AP