Transformation Strategy

Agil tun und agil sein – der kleine Unterschied

Artikel

08.08.2023

Viele Teams, nicht nur in der Softwareentwicklung, arbeiten inzwischen agil. Zumindest offiziell, denn im Grunde ihres Herzens sind einige immer noch den alten Vorgehensweisen verpflichtet. Denn echte Agilität ist eine Frage der Einstellung und der Offenheit, mit der ich mich bewegen kann.

Seit einigen Jahren begleite ich verschiedene Teams auf ihren agilen Reisen. Bei manchen komme ich am Anfang dazu, bei anderen steige ich mitten in ihrer Entwicklung ein, und einige haben bereits einen gescheiterten Agilisierungsprozess hinter sich. Es gibt Teams, deren Mitglieder alle in einem Raum sitzen, es gibt Gruppen mit Menschen aus vier Ländern, mit vier Sprachen und vier Kulturen, und es gibt alles dazwischen. Dann nehmen wir noch jede einzelne Persönlichkeit hinzu. Ich war nie gut in Stochastik, aber ich glaube, damit bekommen wir die größtmögliche Artenvielfalt.

So unterschiedlich die Teams auch sind, die ich begleite – eins haben eigentlich alle gemeinsam: Dass sie ab einem bestimmten Punkt ziemlich zufrieden mit sich und ihrer Arbeit sind. Schließlich haben sie ihre Dailys und arbeiten mit Jira, denn sie sind jetzt agil. 

Hier denke ich mir immer: Seid ihr wirklich agil? Aus meiner Perspektive habt ihr zwar die Meetings, schreibt Stories und nutzt neue Tools, aber bekommt ihr wirklich den Mehrwert daraus? Viele Teams winken dann ab: „Jaja, das passt schon. Nein, das machen wir einfach so. Das haben wir schon immer so gemacht.“ Die Sprüche sind Signale für mich, um nachzubohren. Und dabei ist mir aufgefallen, dass es sich ganz oft nur um Kleinigkeiten in der Ausführung handelt, die aber eine große Auswirkung haben: Das ist der kleine, aber feine Unterschied zwischen agil tun (doing agile) und agil sein (being agile).

Agil sein vs. agiler Schein

In meiner täglichen Arbeit habe ich das ganze Spektrum gesehen von „noch nie gehört“ bis hin zu „wir sind agil und haben gute Erfolge damit“. Und ich habe im Laufe der Zeit gelernt, dass es einen Unterschied zwischen „agil tun“ und „agil sein“ gibt.

Agil tun: Meist sieht es so aus, dass Teams sich mit verschiedenen Frameworks beschäftigt haben, sich dann für Scrum entscheiden, die Meetings anhand des Scrum Guides implementieren und Team-Mitglieder bestimmen, die jetzt Product Owner und Scrum Master sein sollen. Diese führen ihre Plannings durch, haben Dailies, Reviews und Retros – und haben den Eindruck, dass alles noch schwergängiger ist, mehr Abstimmung nötig ist und mehr Meetings abgehalten werden. Außerdem kommt man auch nicht schneller voran als vorher – eher langsamer. Und überhaupt, sollten wir agil nicht die doppelte Arbeit in der Hälfte der Zeit erledigen?

Agil sein: In den meisten Fällen liegt es daran, dass zwar ein Framework implementiert wird, aber sich eigentlich nichts ändert. Außer eben die zusätzlichen Meetings. Und jetzt kommt der Knackpunkt: Was sich ändern muss, um agil zu sein, hat nichts mit Meetings und Prozessen zu tun, sondern mit der Haltung und mit der Einstellung, mit der ich an Dinge herangehe.

Transparenz in agilen Teams

Ja, wir wollen Meetings effizient nutzen, unsere Prozesse verbessern und neue Dinge ausprobieren. Und wir wollen vor allem nicht nur über neue Dinge sprechen, sondern diese auch wirklich umsetzen und fertig machen. Dies setzt aber voraus, dass wir ehrlich zu uns sind: Was funktioniert gut, was können wir verbessern?

Dafür braucht es Transparenz. Also ein Umfeld, das offen ist, wertschätzend und selbstreflektiert. Sprich, wenn ich mich trauen kann, transparent zu sein. Weil ich weiß, dass ich keine negativen Konsequenzen daraus zu befürchten habe, sondern wir die Informationen gemeinsam bewerten und Handlungen ableiten, um im Team daraus zu lernen. Und weil ich das Vertrauen habe, dass wir auch kritische Themen angehen und die Reibungsenergie nutzen können, um Neues zu gestalten.

Echte Agilität braucht die richtige Kultur

Agil zu sein, hat viel mit der Kultur zu tun, die in einem Unternehmen herrscht, und mit unseren Handlungen, nicht nur den Aussagen. Wenn wir agil sein wollen, geht es nicht um ein Framework, eine Methode, sondern darum, mit welcher Einstellung ich Aufgaben betrachte: Offen, nach vorne blickend, aus der Vergangenheit lernend, neugierig auf das, was kommt und mit Hilfe der Informationen, die ich zu diesem Zeitpunkt habe, gut gewappnet voranzugehen.

In den nächsten Blog-Posts gehe ich ins Detail, um den kleinen Unterschied zwischen agil sein und agil scheinen zu zeigen. Dabei geht es um Themen wie

  • Ziele & Messbarkeit: Wieso es bei Story Points eigentlich gar nicht so sehr um die Punktzahl geht;
  • Welchen Mehrwert Timeboxing hat –Spoiler, das hat nichts damit zu tun, pünktlich zum nächsten Meeting zu kommen;
  • Wieso User Stories, die mit „Ich als Product Owner…“ anfangen, irgendwie ihren Sinn verfehlen;
  • Woher man weiß, wie reif das Team ist, wenn der Scrum Master in den Urlaub geht.

Seien Sie gespannt auf das, was da noch kommt, und blicken Sie neugierig in die Zukunft. Wenn Sie benachrichtigt werden wollen, sobald ein neuer Post erscheint, folgen Sie mir einfach über mein LinkedIn-Profil.

Quelle Titelbild: AdobeStock/festfotodesign

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