Optimales Training für den Krisenstab
Viele Krisenstabsübungen spulen ein Standardprogramm ab und gehen nicht darauf ein, was die Organisation wirklich braucht. Stattdessen wäre eine Übung sinnvoller, die sich an den Gegebenheiten orientiert, das Vertrauen stärkt und die Relevanz von Business Continuity Management (BCM) unterstreicht.
Zugegeben: Ich bin nicht gerade der größte Fan von Crisis Drills, Krisenstabsübungen, Crisis Board Trainings oder wie sie sonst noch so genannt werden. Es gibt bessere Übungs- und Testmethoden, um die notwendigen Fähigkeiten zu trainieren und zu prüfen, die man für ein erfolgreiches Krisenmanagement braucht. Aber trotzdem kommen gerade Anfragen zu Crisis Drills relativ häufig ins Haus. Vielleicht, weil sie als Allheilmittel gesehen werden, weil andere Methoden kaum bekannt sind oder weil sie kaum angeboten werden?
Es ist kein Zufall, dass Krisenstabsübungen als Crisis Drills bezeichnet werden – Drills kommen bei der Feuerwehr oder beim Militär zum Einsatz: Train as you fight! Eine Methode wird immer wieder angewandt, bis man sie sozusagen im Schlaf beherrscht. Als geübter Krisenmanager ist es tatsächlich so: Ich spule in einer Krisensituation ein Programm ab, mit dem ich mich vorher unzählige Male beschäftigt habe. Das ist so automatisiert, dass alles unterbewusst passiert und die tatsächliche Krisensituation erst viel später zu mir durchdringt, wenn das Schlimmste schon überstanden ist. Die Routine dient auch dem Selbstschutz, wenn man sich hauptberuflich mit Krisen beschäftigt.
Manager:innen sind keine Krisenmanager:innen
Die Automatismen stellen sich jedoch nicht ein, wenn man hauptberuflich etwas anderes macht, aber plötzlich Teil eines Krisenstabs wird. Und eine reale Krise in der Privatwirtschaft ist nichts Alltägliches, sie ist die absolute Ausnahme. Im Krisenstab eines Unternehmens sitzen in der Regel das Top-Management und einige Führungskräfte, meist diejenigen, die Entscheidungen treffen, die das Unternehmen und seine Strategie am besten kennen, die Verantwortung tragen.
Krisenmanager:innen sind sie nicht.
Deswegen ist es gar nicht möglich, diese Personengruppe derart zu drillen, dass ihre Mitglieder in Krisensituationen automatisch ein Programm abspulen. Aber das ist auch nicht notwendig. Dafür müssen wir einen Schritt zurücktreten und betrachten, welchen Mehrwert Krisenübungen wirklich bringen.
Vertrauen ist der Anfang…
Wir raten unseren Kunden von ausführlichen Schulungen des Krisenstabs ab. Das ist doppelte Ressourcenverschwendung: zum einen die Zeit des Top-Managements, zum anderen die Kosten für die Schulungsleistung. Stattdessen bevorzugen wir eine schlanke Lösung, denn in erster Linie kommt es nämlich darauf an, Vertrauen zu schaffen. Im Team und in die Methode, mit der Aufgaben und Situationen visualisiert werden. Vor der Übung planen wir daher rund 30 Minuten ein, um die Vorgehensweise zu erklären, die anschließend angewandt werden soll. Hier gibt es verschiedene Ansätze: Das können ein Kanban-Board sein, Papiermemos oder ein Krisenmanagement-Tool. Entscheidend ist, dass die Methode zum Krisenstab passt, also im Berufsalltag bereits Anwendung findet. Und die Vorgehensweise muss so einfach sein, dass sie sofort begriffen und umgesetzt werden kann. Dann kann sich der Krisenstab während der Übung mit der Methode vertraut machen und die Lösung hautnah erleben.
Team-Building im Krisenmodus
Dann ist da noch die Vertrautheit mit dem Team und auch das gegenseitige Vertrauen der Teammitglieder. Denn in Krisensituationen muss ich Vertrauen in den Krisenstab haben. In kaum einer Situation lernt man sich so gut kennen und arbeitet so intensiv zusammen, wie in der Krisensituation und in der Krisenübung. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass eine Krisenübung ein Beschleuniger im Team-Building ist. Man hat etwas gemeinsam erlebt, durchgestanden, bewältigt. Manchmal ist eine Krisenübung auch ein Karriere-Booster: Hat der Geschäftsführer Vertrauen zu einem Mitarbeiter gefasst und gesehen, wie er sich in schwierigen Situationen bewährt, kann das zumindest nicht schaden.
Das Wunschszenario
Jetzt wechseln wir mal in die Sicht der Krisenmanager:innen oder Business-Continuity-Manager:innen, die oft auch mit dem Thema Krisenmanagement betraut sind. Mein Ratschlag, wenn es darum geht, das richtige Szenario für eine Krisenübung auszuwählen: Nehmen Sie das Szenario, auf das Sie die Aufmerksamkeit lenken wollen. Wofür wollen Sie Budget haben, bekommen es aber nicht? Ein zweites Rechenzentrum vielleicht? Bitte sehr, dann machen wir doch eine Übung, in der das Rechenzentrum in die Luft geflogen ist. Mehrere Stunden lang beschäftigt sich nun das Top-Management damit, eine Lösung für das Ex-Datacenter zu finden. Voila, Sie haben die ideale Vorlage, um im nächsten Board-Meeting das Thema Backup-Rechenzentrum (nochmal) auf die Agenda zu setzen.
Das wäre es dann auch tatsächlich schon: Vertrauen, Team-Building und Wunscherfüllung sind tatsächlich genügend Gründe, um eine Krisenübung durchzuführen. Wenn das Übungsprotokoll sicher abgelegt wurde, ist eine Compliance-Anforderung auch noch erfüllt. Trotzdem ersetzt die Krisenübung nicht, dass die Krisenmanager:innen (sei es in Voll- oder Teilzeit) weitere Methoden trainieren, die sie dann zur Unterstützung des Krisenstabs abspulen können: beispielsweise die Risiko- und Impact-Bewertung während der Krise, die Stakeholder-Analyse, das Erstellen eines Lagebilds, das Organisieren von Tasks oder 3-Minuten-Updates, um nur einige zu nennen. Damit ist das Unternehmen dann auf den Ernstfall vorbereitet, und der Krisenstab kann mit einem guten Gefühl nach der Übung wieder in den Alltag übergehen.
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