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Weihnachten ist die Zeit der Geschenke – auch in vielen Unternehmen. Doch was sollte man verschenken? Wein, Gutscheine oder einfach nur Kekse? Wie wäre es diesmal mit einer echten Überraschung – zum Beispiel mit ausgewählten Spielsachen?
Professor Dr. Dr. mult. Horst Wildemann und Dr. Jürgen Kalkbrenner sind diesen durchaus ernst gemeinten Fragen nachgegangen.

Herr Professor Wildemann, knapp 80 Prozent aller Eltern schenken ihren Kindern Spielsachen zu Weihnachten. Wäre es unseriös, wenn auch Unternehmen ihren Partnern, Kunden und Mitarbeitern Spiele zu Weihnachten zu schenken – Stichwort „Spielifizierung im Unternehmen“?

Wir verbinden mit Weihnachten und Spielzeug zunächst viele positive Erinnerungen. Bereits von Kindesbeinen an sitzen wir mit der Familie und Freunden zusammen und erfreuen uns gemeinsam an den neusten Spielzeugen. Zu Spielen und in den Wettbewerb zu treten, lernen wir so also sehr früh und selbst als Erwachsene verbringen wir immer noch gerne Zeit mit Spielen. Knapp die Hälfte der Angestellten in Deutschland spielt sogar Spiele während der Arbeitszeit. Diesen Spieltrieb unternehmerisch zu nutzen, birgt einen unschätzbaren Wert.

Davon, ein Spiel zu Weihnachten zu verschenken, wovon im Umkehrschluss allerdings nur das Unternehmen profitiert, ist abzuraten. Dies wirkt sich extrem negativ auf das interne und externe Klima aus. Auch das Verschenken von Gutscheinen hat keinen nachhaltig positiven Effekt für das Unternehmen. Bei dem Konzept der Spielifizierung profitieren jedoch beide Parteien gleichermaßen. Bei der Spielifizierung werden die bekannten Elemente aus Spielen genutzt, um die Arbeit oder auch Zusammenarbeit interessanter und spaßiger zu gestalten. Das Unternehmen profitiert wiederum von vielen positiven Effekten wie einer erhöhten Motivation und Zufriedenheit der Beteiligten.

Für viele Unternehmen klingt es jedoch noch befremdlich, Spiele in die Arbeitswelt zu integrieren. Schließlich ist Arbeit kein Spiel, sondern bitterer Ernst. Doch gute Mitarbeiterleistung entsteht nicht zufällig. Mitarbeiter müssen immer wieder für die Unternehmensziele motiviert werden und die Arbeit muss interessant gestaltet sein. Daher kommen in Unternehmen auch Anreizsysteme zum Einsatz, die jedoch die Motivation nicht nachhaltig aufrechterhalten können. Ganz anders die Spielifizierung. Sie bedient sich der Neigung der Menschen zu spielen und lenkt den Spieltrieb in für Unternehmen konstruktive Bahnen. Hierbei werden konkret Emotionen, die auch bei Spielen hervorgerufen werden, in den Berufsalltag eingebracht und dadurch die Teilnehmer positiv für eine Sache beeinflusst.

Es geht also im Kern darum, Emotionen auch im Business-Kontext sinnvoll einzubringen. Brauchen Unternehmen eine Art „Spielzimmer“ mit verschiedenen „Spielsachen“, z.B. um sich mit neuen Technologien vertraut zu machen, Berührungsängste zu reduzieren und Inspiration für Innovationen zu erhalten?

Der globale Spielifizierungsmarkt wächst jährlich um 100 Prozent. Der zentrale Treiber dieser Entwicklung ist ohne Frage die Digitalisierung. Sie fördert insbesondere die Entwicklung von Plattformkonzepten. Diese virtuellen „Spielzimmer“ brauchen keinen physischen Platz. In Unternehmen braucht es also keine zusätzlichen Räume. Ein weiterer Vorteil digitaler, spielifizierter Plattformkonzepte: Sie können beliebig um weitere Spielprinzipien ergänzt werden. Auch eine Umgestaltung einer ganzen Plattform ist jederzeit möglich.

Wirkt innerhalb und außerhalb des Unternehmens

Unserer Erfahrung nach kann Spielifizierung im Rahmen des Innovationsmanagements auch die Scheu bzw. Distanz zu Innovationen nehmen. Sehen Sie weitere Einsatzmöglichkeiten für das Thema im Unternehmen?

Die Spielifizierung kann weit mehr als nur die Scheu vor Innovationen nehmen. Ihre positiven Effekte sind jedoch abhängig vom Einsatzgebiet. Diese können nicht nur innerhalb des Unternehmens liegen, sondern auch darüber hinaus. Innerhalb des Unternehmens kann sie zum Beispiel …

  • im Wissensmanagement die kollektive Intelligenz des Unternehmens mobilisieren und Kosten nachhaltig senken.
  • in der Produktion Mitarbeiter für eine frühzeitige Fehlererkennung und -behebung motivieren und so die Qualität von Produkten und Prozessen optimieren.
  • in der Kommissionierung die Prozesssicherheit durch ein vermehrtes, positives Feedback steigern.
  • die Qualität von Services erhöhen.
  • in Schulungen positive Auswirkungen auf die Anlernkurven der Teilnehmer haben, um neue Prozesse und Produkte zu erlernen.

Und wie wirkt Spielifizierung auch außerhalb des Unternehmens?

Außerhalb des Unternehmens kann die Spielifizierung im Rahmen …

  • des Marketings die Bekanntheit des Unternehmens erhöhen und das Kennenlernen der Markenbotschaften erleichtern.
  • von Kundenbeziehungen die Bindung an das Unternehmen optimieren.
  • des Recrutings im „War of Talents“ die Rekrutierungskosten als auch die Nachwuchsqualität nachhaltig verbessern.

Sie sehen, wie vielfältig die Spielifizierung und ihre Vorzüge sind. Dies haben die Unternehmen erkannt und mehr und mehr implementieren daher auch bereits Anwendungen.

Spielerisch zu Verbesserungen

Hätten Sie als Inspiration vielleicht einige Beispiele für potenzielle Spielifizierungs-Tools? Gerne auch solche, die man potenziell verschenken könnte?

Gerne gebe ich Ihnen einen Einblick in vier Anwendungsbeispiele, bei denen wir mitgewirkt haben:

Zu nennen ist da das spielifizierte Ideenmanagement in der Planung:
Bei diesem Anwendungsbeispiel steht das Ideenmanagement im Mittelpunkt. Grundsätzlich entwickeln Mitarbeiter gute praktische Ideen während der Arbeit, da sie täglich an allen erdenklichen Betriebsprozessen beteiligt sind. Jedoch durchdringen viele Ideen nicht die Unternehmensebenen, was auf verschiedenste Punkte zurückzuführen ist. Die von uns entwickelte digitale Plattform mit spielerischen Anreizen vernetzte über 2 000 Ingenieure in einer Konzernplanung eines internationalen Unternehmens. Die Spielifizierung wurde als Vorstufe zum betrieblichen Vorschlagswesen entwickelt, bei der Ideen im Sinne einer Social-Media-Plattform eingestellt wurden und ungezwungen mit der Community, zum Zwecke der Verbesserung der Idee, diskutiert werden konnten. Durch Bewertungen und Kommentare zu anderen Ideen konnten die Anwender Punkte sammeln. Diese Punkte dienten der Platzierung in einer Rangliste und ermöglichten zum anderen den Aufstieg in ein höheres Expertenlevel. Schon nach wenigen Wochen konnte durch den erzeugten Wettbewerb eine quantitative Erhöhung der Ideenanzahl und eine qualitative Verbesserung des Reifegrads der Ideen festgestellt werden.

Ein weiteres gutes Beispiel ist die spielifizierte Serviceorganisation:
Service-Techniker arbeiten grundsätzlich an unterschiedlichen Standorten und haben aufgrund der Entfernungen zueinander nur bedingt Möglichkeiten, sich persönlich auszutauschen. Vor diesem Hintergrund entwickelten wir für ein Baumaschinenunternehmen eine Plattform, auf der die Mitarbeiter sich untereinander austauschen konnten. Die eingebaute Spielifizierung motivierte die Mitarbeiter, auf der Plattform aktiv zu sein und hilfreiche Lösungsansätze für die Probleme der im Feld stehenden Service-Techniker zu generieren. Die Plattform war so aufgebaut, dass an einer virtuellen Fehlersuche, einer Fehlerbeurteilung und einer Fehlerbehebung mitgewirkt werden konnte. Dadurch konnten vor allem die Qualität und der Zeitaufwand der Service-Techniker verbessert werden.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel stellt das Projekt um die Spielifizierung im Cost-Engineering dar. Neben der Bewältigung von konkreten Aufgaben auf einer speziell dafür entwickelten Plattform zur Senkung von Produkt- oder Prozesskosten, wurden die Mitarbeiter auch angeleitet, verschiedene Cost-Engineering-Methoden spielerisch zu erlernen. Als spielerische Elemente wurden auf der Plattform Erfahrungspunkte, Auszeichnungen, Fortschrittsbalken und ein Ranglistenkonzept eingesetzt. Die Rangliste wurde dabei immer nur ausschnittsweise und anonym dargestellt, damit eine nach den Compliance-Richtlinien abgestimmte Kommunikation gewährleistet war.

Ein viertes Beispiel ist die Spielifizierung in der Fertigung und Montage
Das Ziel dieser Anwendung war es, Spielifizierung zur Motivationssteigerung monotoner Tätigkeiten und Multiplikation des spezifischen Fachwissens auf viele Produktionsmitarbeiter einzusetzen. So wurde die Plattform in drei Module eingeteilt: „Performance“, „Meine Fabrik“ und „Prämien“. Das Performancemodul wurde dabei so ausgestaltet, dass Mitarbeiter der Fertigung und Montage regelmäßiges Feedback zu ihrer Leistung erhalten konnten. Die erhaltenen Punkte und Auszeichnungen konnten zur Verbesserung des zweiten Moduls „Meine Fabrik“ genutzt werden. Über das dritte Modul konnten sich die Mitarbeiter materielle Prämien sichern.

Doch wenn wir nun an Weihnachten denken, das kommt es ja meist schneller als gedacht und so komplexe, spaßige Anwendungen lassen sich dann vielleicht doch nicht mehr zeitnah an die Mitarbeiter „verschenken“. Aber auch kleine Anwendungen wie das Lego Serious Play erzielen schon große Effekte und lassen sich noch kurz vor Weihnachten besorgen. Die kleinen Steinchen im Unternehmen richtig eingesetzt, können zum Beispiel zum Planen von Fabriken oder zur Schulung von Abläufen verwendet werden. Auch dies haben wir bereits in Projekten erfolgreich anwenden können.

Weitere Beispiele, bei denen Mitarbeiter spielerisch Unterstützung erhalten, sind GetKanban und PlayingLean. Diese Boardgames entführen die Mitarbeiter in eine virtuelle Welt, in der sie die Prinzipien der jeweiligen Methode hautnah miterleben können. Auch die Occulus und HoloLens können hier wirkungsvolle Unterstützungsinstrumente sein.

Wenn Sie Weihnachten und Spielifizierung abschließend noch einmal bewerten: Sind die beiden Ihrer Meinung nach ein zukunftsorientiertes Gespann?

Spielifizierung und Weihnachten können ein erfolgsversprechendes Gespann bilden, wenn Unternehmen bereit sind, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen – ähnlich wie bei Geschenken für die Familie. Je früher sie dies machen, desto größer die Wahrscheinlichkeit der Passgenauigkeit und der damit verbundenen Freude des Beschenktem und Schenkendem.

Herr Professor Wildemann, vielen Dank für die interessanten Thesen und Einschätzungen!


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Prof. Horst Wildemann

Er gilt als der Vater des deutschen Just-in-Time-Konzepts:
Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann lehrte als ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre zunächst in Bayreuth und Passau und seit 1989 an der Technischen Universität München. Er hat Rufe an die Universitäten Stuttgart Hohenheim und Dortmund, an die Freie und die Technische Universität Berlin, University of Southern California, Los Angeles, University of Indianapolis, Indianapolis, und an die Hochschule St. Gallen erhalten. Neben seiner Lehrtätigkeit steht Prof. Wildemann der Unternehmensberatung TCW Transfer-Centrum vor.
Durch die Kombination von Forschungsinstitut und Management Consulting schafft Wildemann es immer wieder, die gewonnen Ergebnisse aus Forschung und unternehmerischer Praxis zu integrieren. In 40 Büchern und über 700 Aufsätzen hat er neue Wege für die wirtschaftliche Gestaltung von Unternehmen mit Zukunft aufgezeigt. Außerdem ist er Veranstalter des Münchner Management Kolloquium, das 2018 sein 25jähriges Jubiläum feiert.
Für führende Industrieunternehmen ist Professor Wildemann zudem als Berater, Aufsichts- und Beiratsmitglied tätig. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem wurde er 2004 in die Logistik Hall of Fame aufgenommen.